Eigenes Tempo

Zum Aphorismus Neid

„Wir müssen niemanden beneiden – ergo auch nicht darunter leiden.“

Der Neid ist ein ganz besonderes Thema. Sowohl in der älteren als auch neueren Philosophie – kommt der Neid nicht gut weg.

Thomas v. Aquin hielt ihn für unvernünftig und schlecht. I. Kant legte noch einmal drauf, indem er schrieb: „..Neid ist ein Laster des Menschenhasses.“

Anthropologen hingegen sagen, dass der Mensch neidisch ist und das auch einen Sinn ergibt. Die Kirche hielt oder hält ihn für eine Todsünde. 

Es ist jetzt nicht so, dass ich es immer klasse finde, wenn ich etwas sehe, was mir gefällt – ich es aber nicht haben kann.

Das  Wort Neid will mir so gar nicht über die Lippen. Aber im Vertrauen. Das ist es wohl. Der Gedanke – das würde ich jetzt auch gerne haben oder tun – ist mir also nicht fremd.

Auch wenn ich mich anstrenge und das Gewünschte auch bekomme oder erreiche, bleibt die Unzufriedenheit an einer anderen Ecke. Darüber hinaus kommt noch, dass es mich ärgert, dass ich mich ärgere, dass ich das nicht habe oder erreiche.

Ständig das Gefühl etwas zu versäumen oder zu kurz zu kommen. Das nervt. So ist es möglich, dass ich dem Glück und/oder der Zufriedenheit mein ganzes Leben hinterherlaufe.

„Wir müssen niemanden beneiden – ergo auch nicht darunter leiden.“

Neid. Neid ist eine schlechte Angewohnheit. Ich habe immer das Gefühl, das etwas fehlt. Also liegt Zufriedenheit und Glück offenbar in mir selbst.

Bekannt sind mir folgende Angewohnheiten:

  • Ich sehe, dass andere durch die Gegend reisen (tue ich auch), zu jeder Party gehen und auch sonst jede Menge Spaß haben (habe ich auch).

Trotzdem wünsche ich mir gerade diese Reise, diese Party und diesen Spaß. Erst neulich war ich am Elbstrand in Hamburg-Wittenbergen.

Aus dem Nichts tauchten plötzlich 4 ältere Musiker auf und spielten Songs – zwar von vor meiner Zeit. Aber sie spielten. Sie spielten super. Ich applaudierte nach jedem Song.

Insgeheim wollte ich aber zunehmend auch eine Band oder mindestens Mitglied einer solchen sein.

  • Ich muss noch mehr Spaß haben, bin ich glücklich (ich muss glücklicher werden), der sieht aber gut aus (ich muss mehr trainieren).

Jetzt bin ich ja nicht blöd genug, um nicht zu wissen, dass ich nicht alles erreichen kann. Wie und wann denn auch? Mein Leben und ich werden nie perfekt sein.

Das bedeutet: Ich erreiche mein Ziel glücklich und zufrieden zu sein nicht, und bleibe daher insgesamt unzufrieden.

Die einzigen – mir bekannten – Mittel gegen diese Unzufriedenheit sind, mich in Dankbarkeit zu üben, Gelassenheit (im Sinne von annehmen) und Abgeschiedenheit. Auch wenn es komisch klingt. Es funktioniert.

Den Neid gänzlich zu diskreditieren, halte ich – persönlich – nicht für richtig und praktikabel. Er kann gleichsam Antreiber und Kreativkraft sein.

Bis neulich

©Ich


Neid